Mittwoch, 14. April 2010

Elina Duni Quartet: „Lume Lume“ (Meta Records)

Das zweite Album der noch jungen, 1981 in Tirana geborenen Sängerin Elina Duni hat es in sich, überzeugt noch mehr als der ohnehin schon fast „kultige“ Erstling. Elina singt Lieder vom Balkan, aus Albanien, Griechenland, Rumänien und Lieder der Zigeuner – und sie macht aus diesen Songs fantastischen, abenteuerlichen, stimmungsvoll magischen und rhythmisch faszinierenden Jazz! Mit ihren renommierten Begleitern aus der Schweiz, dem Pianisten Colin Vallon, dem Bassisten Bänz Oester und dem Schlagzeuger Norbert Pfammatter, gelingt ihr etwas, was trotz vieler Crossovers sehr selten ist: die Verschmelzung verschiedener Musikkulturen zu einem Klangkunstwerk, das wie aus einem Guss wirkt.

Besonders erwähnenswert und programmatisch zum CD-Titel gekürt ist die Einspielung des Balkan-Kulthits „Lume Lume“, eines Songs, der wie kaum ein zweiter das verdeutlicht, was „Balkan-Blues“ bedeuten kann.

Das aus Rumänien stammende Trinklied treibt einem - fast egal, in welcher Einspielung - unweigerlich die Tränen in die Augen. Ob von der großen Maria Tănase, den Bulgarian Voices Angelite, der Schweizer Akkordeonistin Nabila Schwab oder Maria Buza mit ihren Taraful Ciuleandra gesungen, ob von der Balkanswingband Sultan, dem disko-synthi-wilden Clejani Express (einem vom Ionitsa Manole und dessen Frau Viorica gegründeten Taraf de Haidouks-Ableger) oder den berühmten Fanfare Ciocarlia eingespielt – stets geht es um eine kraftvoll hervorbrechende, schwermütige Tieftraurigkeit.

Welt, Welt, Schwester Welt,
wann werde ich genug von dir haben?
Wann werde ich den Löffel aus der Hand legen,
wann wird meine Uhr abgelaufen sein?

Vielleicht werde ich dann genug von dir haben,
wenn sie die Nägel in meinen Sarg hämmern.
Wenn sie mich in mein Grab legen
Und ich nicht mehr auf Erden sein werde,
Welt, Welt, Schwester Welt.

So ist nun mal die Welt, flüchtig.
Einer wird geboren, der andere stirbt.
Der Geborene leidet,
der Gestorbene verrottet,
Welt, Welt, Schwester Welt.


Elina Duni macht daraus mit ihrer Jazz-Begleitung ein zurückhaltendes, jenseitiges Kunstlied mit sanften Verzierungen und einem edel-melancholischen Piano-Part. Die Duni’sche „Schwester Welt“ klingt wie die ferne Erinnerung an etwas, was einmal war, das man aber nicht mehr recht greifen kann.

So scheint es nur konsequent, dass das i-Tüpfelchen und der Abschluss der CD eine Interpretation von Nick Drakes „Riverman“ ist. Ein Song, der mit weltentrücktem Blick und beklemmend einfachen Worten die vagen Umrisse eines Lebens beschreibt, das vielleicht schon gar nicht mehr existiert. Es ist der einzige nicht-balkanische Song auf der CD, zu guter Letzt. Nick Drake starb am 25. November 1974 im Alter von 26 Jahren an einer Überdosis Antidepressiva.

Elina macht, hoffentlich, weiter.

Mathias Bäumel