Damit hat sie sich entlarvt. Entlarvt als Musikantin mit wirklich eigenem Kopf. Mit dieser Version von „Eleanor Rigby“, einer atemberaubend heutigen Sicht auf ein historisches Kammerpopmusikstück der Beatles, macht Alexa Rodrian Furore. Doch nicht nur die auf der aktuellen CD „All done and dusted“ befindliche Dame Rigby überzeugt – sämtliche Songs sind intelligent und unterhaltsam zugleich.
Sogar die leirige Kinderliedmelodie von „Hänschenklein“ wird bei der Rodrian zu einem Erlebnis, ganz zu schweigen von Mongo Santamarias „Afro Blue“ (einst durch John Coltrane weltbekannt gemacht) und den vielen eigenen Stücken, unter denen das magisch wirkende „Miss Bitch“, das charismatische „He is writing again“ und das markante „No use“ vielleicht noch herausragen.
Überhaupt: Über die Rodrian und ihre Musik sprechen heißt nicht nur, über die Sängerin zu reden. Alexa Rodrians Musik besticht durch die Qualität der Kompositionen, die kontrastreichen, „farbige“ Sounds schaffenden Instrumentierungen und durch den im Timbre warm wirkenden Gesang. Es ist eine Art lebendige, herausfordernd wirkende „Komplett-Musik“, die die Rodrian hier vorlegt – nicht bloß zwar gut gesungene, aber herkömmlich gebaute Songs. Jeder Titel hat einen eigenen Charakter, hat seine Feinheiten und seine raffinierten Ideen, jeder hat sein eigenes Flair und vermittelt eine eigene Geschichte. Zuhören ist hier Abenteuer – aber eins, das nicht durch Gefährlichkeit, sondern durch Überraschungen brilliert. Das Vertraute anders hören und das So-noch-nicht-Gehörte vertraut erscheinen lassen – die Musik dieser CD überzeugt.
Schon Anfang der neunziger Jahre galt Alexa Rodrian als vielversprechende deutsche Sängerin. Damals kam dem kleinen Münchner Label United Sounds Records die nach einer „schwarzen“ Sängerin klingende CD „Living Jazz in Room“ heraus – Alexa sang bluesgetränkt, Michael Alf begleitete am Piano und gelegentlich half Tony Lakatos mit seinem Tenorsax. Die Rodrian ging dann nach New York, „lebte“ den traditionellen Jazzgesang intensiv, trat sogar in der Knitting Factory auf. Nach sieben Jahre „Big Apple“ kehrte sie nach Deutschland zurück. Hierzulande ist sie zwischenzeitlich etwas bekannter geworden durch ihre Arbeit mit Konstantin Wecker, aber auch durch die CD „Blue Blood“, vor allem aber – die Ex-Münchnerin lebt längst in Berlin – durch ihre Konzertreihe „Shared Night“ im Berliner Club B-Flat. Mit der aktuellen CD „All done and dusted“ ist ihr ein großer Wurf gelungen!
Montag, 29. September 2008
Donnerstag, 18. September 2008
Gabriele Mirabassi / Guinga: „Graffiando Vento“ (Egea Records)
Der Kreis schließt sich, der aus Perugia in Italien stammende Klarinettist und Komponist Gabriele Mirabassi geht seinen Weg, der ihn - künstlerisch gesehen - immer wieder auch nach Brasilien führt. Nach „Velho Retrato“ und „Uno a Zero“ legte er schon vor einiger Zeit mit „Graffiando Vento“ das bis dahin dritte Album mit brasilianisch beeinflusster Musik vor.
Als Mirabassi mit „Velho Retrato“ gemeinsam mit Sergio Assad einige von dessen Kompositionen einspielte, steckte er gerade tief in der Welt der europäischen zeitgenössischen Musik-Szene. Das Verwobensein der tropischen Klänge Brasiliens mit der zeitgenössischen Musik empfand Mirabassi als „Offenbarung“, wie er selbst sagte. Wegen der „Velho Retrato“-CD wurde dann Guinga – eigentlich Carlos Althier de Sousa Lemos Escobar – auf den italienischen Musiker aufmerksam, der zwischenzeitlich mit „Uno a Zero“ eine CD mit Choro-Kompositionen von Pixinguinha eingespielt hatte. Im Werk von Villa-Lobos, Jobim und auch Pixinguinha nähern sich, so glaubt Mirabassi, die Kategorien der Populärmusik und der künstlerischen Konzertmusik zu etwas wirklich Einzigartigem und Brasilianischem an. „Gerade das zu verstehen“, so Mirabassi, „ist der Schlüssel für eine wirkliche Wertschätzung der Musik des Meisters Guinga.“ Für manchen brasilianischen Musikkritiker ist Gitarrist und Komponist Guinga jetzt schon der legitime Nachfolger Heitor Villa-Lobos, und die Einspielung „Graffiando Vento“ mit Mirabassi kann das mehr als nur untermauern. Die CD präsentiert eine Reihe von Guingas (zumindest in Brasilien) berühmtesten Kompositionen, von Gabriele Mirabassi neu für das Duo Klarinette / Gitarre arrangiert. Beide Instrumente verweben sich zu einem magisch wirkenden Klangfluss an Melodien und Stimmungsfärbungen: mal tänzerisch schalkhaft, dann wieder ernst und nachdenklich, stets außerordentlich melodiös und durch Mirabassis Klarinettenklang zauberisch schön. Auch wenn allein schon Guingas Themen geheimnisvoll anziehend wirkend – erst das Klarinettenspiel Mirabassis mit seinen betörenden Glissandi, den rasanten Tempi und dem manchmal warm-wehmütigen Ton macht aus dieser Scheibe ein Erlebnis der Extraklasse. Man höre sich nur mal „Rasgando seda“ an, und man spürt: diese Musik hat Bestand für Jahrzehnte!
Als Mirabassi mit „Velho Retrato“ gemeinsam mit Sergio Assad einige von dessen Kompositionen einspielte, steckte er gerade tief in der Welt der europäischen zeitgenössischen Musik-Szene. Das Verwobensein der tropischen Klänge Brasiliens mit der zeitgenössischen Musik empfand Mirabassi als „Offenbarung“, wie er selbst sagte. Wegen der „Velho Retrato“-CD wurde dann Guinga – eigentlich Carlos Althier de Sousa Lemos Escobar – auf den italienischen Musiker aufmerksam, der zwischenzeitlich mit „Uno a Zero“ eine CD mit Choro-Kompositionen von Pixinguinha eingespielt hatte. Im Werk von Villa-Lobos, Jobim und auch Pixinguinha nähern sich, so glaubt Mirabassi, die Kategorien der Populärmusik und der künstlerischen Konzertmusik zu etwas wirklich Einzigartigem und Brasilianischem an. „Gerade das zu verstehen“, so Mirabassi, „ist der Schlüssel für eine wirkliche Wertschätzung der Musik des Meisters Guinga.“ Für manchen brasilianischen Musikkritiker ist Gitarrist und Komponist Guinga jetzt schon der legitime Nachfolger Heitor Villa-Lobos, und die Einspielung „Graffiando Vento“ mit Mirabassi kann das mehr als nur untermauern. Die CD präsentiert eine Reihe von Guingas (zumindest in Brasilien) berühmtesten Kompositionen, von Gabriele Mirabassi neu für das Duo Klarinette / Gitarre arrangiert. Beide Instrumente verweben sich zu einem magisch wirkenden Klangfluss an Melodien und Stimmungsfärbungen: mal tänzerisch schalkhaft, dann wieder ernst und nachdenklich, stets außerordentlich melodiös und durch Mirabassis Klarinettenklang zauberisch schön. Auch wenn allein schon Guingas Themen geheimnisvoll anziehend wirkend – erst das Klarinettenspiel Mirabassis mit seinen betörenden Glissandi, den rasanten Tempi und dem manchmal warm-wehmütigen Ton macht aus dieser Scheibe ein Erlebnis der Extraklasse. Man höre sich nur mal „Rasgando seda“ an, und man spürt: diese Musik hat Bestand für Jahrzehnte!
Mittwoch, 17. September 2008
Helge Lien Trio: Hello Troll (Ozella Music)
Eine bohrende, ostinate Bassfigur, warm, kräftig, drängend, dazu zaubern die Schlagzeugbesen einen markanten, aber im Sound zarten Rockrhythmus, das Piano skizziert in Moll sparsam und offen ein paar melodische Gedanken ins Geschehen: So beginnt, eine versonnene Magie erzeugend, das Stück „Gamut Warning“ und die CD „Hello Troll“ (Ozella Music) des Helge Lien Trios.
In Deutschland noch nicht allzu sehr bekannt, ist Lien in Skandinavian schon seit einigen Jahren ein Großer: Sowohl als Pianist in der Band der Sängerin Silje Neergard als auch – vor allem – als Chef des eigenen Trios trat der norwegische Pianist hervor. „Hello Troll“ ist seit dem Jahr 2000 die dreizehnte CD Liens unter eigenem Namen und mittlerweile sogar in den norwegischen Charts aufgetaucht.
Kein Wunder, wenn Kritiker bereits lange vor dem tragischen Tod Esbjörn Svenssons am 14. Juni 2008 der Meinung waren, dass Lien eigentlich jetzt schon der komplettere Svensson sei. Zumindest insofern kann man dieser Auffassung etwas abgewinnen, als die Musik der beiden Formationen in eine ähnliche Richtung geht: beide spielen Stücke – nicht ausufernde, in Form und Metrik freie Improvisationen – und beide haben viel Sinn für die Kombination von melodischen Raffinessen mit teils sogar rockig wirkenden, aber im Sound kammermusikalisch klingende Rhythmen. Es sind die lyrisch-impressionistisch wirkenden Stimmungsbilder, deren Anziehungskraft man kaum entkommt und in denen man sich beim Hören treiben lassen kann.
Wenn Wolf Kampmann in der „Jazzthetik“ schreibt, Lien zelebriere die Kraft der ästhetischen Vollkommenheit, mag er Recht haben. Mit der Einschränkung: Es ist vielleicht eine Form der ästhetischen Vollkommenheit. Eine, die sich in den klar abgesteckten Gefilden des Jazz-Piano-Trios der Traditionslinie Bill Evans, Keith Jarrett und E. S. T. bewegt und diese – vielleicht auch vergleichbar mit der Ästhetik von The Bad Plus – in Richtung von ausgearbeiteten Stücken weiterentwickelt. Es ist die brillante Ästhetik der geschaffenen Resultate, nicht so sehr die abenteuerliche Ästhetik eines Suchprozesses, mit der Helge Lien sein Publikum überzeugen kann.
Das liegt nicht nur an den markanten Kompositionen und dem auch technisch bemerkenswerten Pianospiel Liens, sondern ganz besonders auch an der Kompaktheit und der Eingespieltheit des Trios. Klasse die immer präsente, dennoch sich nie aufdrängende Schlagzeugbegleitung (Knut Aalefjær), beeindruckend der kräftige und gleichermaßen lyrisch-zarte Bass (Frode Berg).
Helge Lien Trio: Hello Troll (Ozella Music)
In Deutschland noch nicht allzu sehr bekannt, ist Lien in Skandinavian schon seit einigen Jahren ein Großer: Sowohl als Pianist in der Band der Sängerin Silje Neergard als auch – vor allem – als Chef des eigenen Trios trat der norwegische Pianist hervor. „Hello Troll“ ist seit dem Jahr 2000 die dreizehnte CD Liens unter eigenem Namen und mittlerweile sogar in den norwegischen Charts aufgetaucht.
Kein Wunder, wenn Kritiker bereits lange vor dem tragischen Tod Esbjörn Svenssons am 14. Juni 2008 der Meinung waren, dass Lien eigentlich jetzt schon der komplettere Svensson sei. Zumindest insofern kann man dieser Auffassung etwas abgewinnen, als die Musik der beiden Formationen in eine ähnliche Richtung geht: beide spielen Stücke – nicht ausufernde, in Form und Metrik freie Improvisationen – und beide haben viel Sinn für die Kombination von melodischen Raffinessen mit teils sogar rockig wirkenden, aber im Sound kammermusikalisch klingende Rhythmen. Es sind die lyrisch-impressionistisch wirkenden Stimmungsbilder, deren Anziehungskraft man kaum entkommt und in denen man sich beim Hören treiben lassen kann.
Wenn Wolf Kampmann in der „Jazzthetik“ schreibt, Lien zelebriere die Kraft der ästhetischen Vollkommenheit, mag er Recht haben. Mit der Einschränkung: Es ist vielleicht eine Form der ästhetischen Vollkommenheit. Eine, die sich in den klar abgesteckten Gefilden des Jazz-Piano-Trios der Traditionslinie Bill Evans, Keith Jarrett und E. S. T. bewegt und diese – vielleicht auch vergleichbar mit der Ästhetik von The Bad Plus – in Richtung von ausgearbeiteten Stücken weiterentwickelt. Es ist die brillante Ästhetik der geschaffenen Resultate, nicht so sehr die abenteuerliche Ästhetik eines Suchprozesses, mit der Helge Lien sein Publikum überzeugen kann.
Das liegt nicht nur an den markanten Kompositionen und dem auch technisch bemerkenswerten Pianospiel Liens, sondern ganz besonders auch an der Kompaktheit und der Eingespieltheit des Trios. Klasse die immer präsente, dennoch sich nie aufdrängende Schlagzeugbegleitung (Knut Aalefjær), beeindruckend der kräftige und gleichermaßen lyrisch-zarte Bass (Frode Berg).
Helge Lien Trio: Hello Troll (Ozella Music)
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